Sessionsbericht Frühling 2024

In Bern traf sich das Parlament vom 26. Februar bis 15. März zur Frühjahrssession. Stimmrechtsalter 16, Jugendstrafrecht, Entwicklungshilfe, Asylwesen, E-ID etc.: National- und Ständerat debattierten über zahlreiche spannende Themen.

Stimmrechtsalter 16
In neuer Zusammensetzung nach den Wahlen beschloss die grosse Kammer, eine parlamentarische Initiative zum Stimmrechtsalter 16 abzuschreiben. Zuvor hatte sich der Rat dreimal grundsätzlich für das Stimmrechtsalter 16 ausgesprochen, seine Staatspolitische Kommission jeweils dagegen. Wie schon in der Vergangenheit habe ich auch dieses Mal für eine Abschreibung votiert. Ein Stimm- und Wahlrechtsalter von 16 Jahren würde in einem ungerechtfertigten Gegensatz zu den zivil- oder strafrechtlichen Rechten und Pflichten stehen, die für Schweizerinnen und Schweizer ab dem Alter von 18 Jahren gelten. Es ist sachlich nicht erklärbar, dass 16- und 17-jährige, die notabene keine Steuern zahlen, bei weitreichenden politischen Entscheiden mitbestimmen könnten, selbst aber nicht mal einen Vertrag unterzeichnen dürften. Ausserdem erachte ich es als problematisch, die Altersschwelle für das aktive und für das passive Wahlrecht zu trennen.

Jugendstrafrecht
Wer im Jugendalter einen Mord begangen hat, kann in der Schweiz künftig verwahrt werden, als letztes Mittel. Und Verwahrte im geschlossenen Vollzug dürfen nicht mehr unbegleitet in den Urlaub. Die längst überfällige Neuerung geht unter anderem auf einen Vorstoss der früheren SVP-Nationalrätin und jetzigen Zürcher Regierungsrätin Natalie Rickli zurück. Sie hatte an einen verwahrten Vergewaltiger und Mörder erinnert, dem auf einem sogenannten humanitären Ausgang die temporäre Flucht gelungen sei.

Entwicklungshilfe
3’500 Millionen Franken: so hoch sind die Ausgaben für die Entwicklungshilfe der Schweiz. Die SVP wollte den Bundesrat beauftragen, die Entwicklungshilfe der Schweiz auf jährlich 2 Milliarden Franken und somit auf den Stand von 2006 zu begrenzen. Die Entwicklungshilfe stellt einer jener Ausgabenposten im Bundeshaushalt mit einer der grössten Wachstumsraten dar. Diese Entwicklung ist angesichts der angehäuften Corona-Schulden und den anstehenden finanziellen Herausforderungen im Sicherheits- und Energiebereich nicht haltbar. Darüber hinaus ist die Wirksamkeit finanzieller Zuwendungen an sogenannte «Entwicklungsländer» auch in der Wissenschaft stark umstritten. Dennoch wurde der Vorstoss mit 118 zu 74 Stimmen bei einer Enthaltung abgelehnt.

Asylwesen
Im Rahmen einer ausserordentlichen Session forderte die SVP die Wiedereinführung von systematischen Grenzkontrollen, damit Personen ohne gültige Einreisepapiere nicht mehr in die Schweiz gelangen können. Zusätzlich sollten Migranten aus der Türkei und anderen «Europaratsstaaten» kein Asyl mehr in der Schweiz erhalten. Der Nationalrat lehnte beide Motionen ab. Besonders enttäuschend ist dabei die Haltung von SP-Asylminister Beat Jans. Mit Verweis auf das Schengen-Abkommen gab er an, für systematische Grenzkontrollen würden die rechtlichen Voraussetzungen fehlen. Auch war er der Ansicht, dass Personenkontrollen an der Grenze ihre Wirkung verfehlen. Seine Argumentation ist nicht nachvollziehbar, wie das folgende Beispiel zeigt: Bei den im Jahr 2015 wegen des G7-Gipfels im Schloss Elmau wieder eingeführten Grenzkontrollen hat die Bundespolizei rund 360’000 Menschen überprüft. 3’517 Menschen wurden vorläufig festgenommen. Bei den Kontrollen sind ausserdem zahlreiche Delikte aufgedeckt worden: 10’555 Verstösse gegen das Aufenthaltsgesetz, 237 Drogen- und 151 Urkundendelikte sowie 29 Verstösse gegen das Asylrecht. Da soll noch einer sagen Grenzkontrollen nützen nichts!

Teuerungsausgleich
In der Verordnung der Bundesversammlung über Besoldung und berufliche Vorsorge der Magistratspersonen hat das Parlament festgelegt, dass der Bundesrat automatisch den gleichen Teuerungsausgleich erhält wie das Bundespersonal. In Verhandlungen mit den Personalverbänden legt der Bundesrat schliesslich den Prozentsatz fest, der für die Angestellten gilt – und damit auch für sich selbst. Während Bundesräte inkl. Spesen eine halbe Million Franken verdienen und von etlichen weiteren Privilegien profitieren, gibt es viele Schweizerinnen und Schweizer, die infolge steigender Lebenskosten Mühe haben, ihre Rechnungen zu bezahlen. Während Menschen, die am Limit leben, jeden Franken umdrehen müssen, erhalten Bundesratsmitglieder einen Teuerungsgleich, was kein Mensch versteht. Ich habe deshalb eine Parlamentarische Initiative eingereicht, welche den Teuerungsausgleich aufheben will.

E-ID
Der Nationalrat hat der neuen Vorlage des Bundesrats zur Einführung eines elektronischen Identitätsnachweises in der Schweiz (E-ID) sehr deutlich zugestimmt. Im Nationalrat lautete der Tenor, die neue Vorlage sei viel besser als die Frühere. Der Bund habe nach dem Volks-Nein von 2021 wegen Sicherheitsbedenken die richtigen Schlüsse gezogen. Damals wollte der Bundesrat, dass Private die E-ID abgeben. Neu soll der Bund zuständig sein und die Infrastruktur anbieten. Sie soll ab 2026 gratis und freiwillig bezogen werden können und die Grundlage für die digitale Transformation der Schweiz legen. Da ich grundsätzliche Bedenken zu einer E-ID an sich habe, habe ich die Vorlage nicht unterstützt. Schliesslich ist zu befürchten, dass wir uns immer mehr für alltägliche Handlungen ausweisen müssen. Ich weiss ja nicht, wie Ihre Meinung dazu ist, aber ich will sowas in Zukunft nicht.

David Zuberbühler
Nationalrat AR

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