In Bern traf sich das Parlament vom 27. Mai bis 14. Juni zur Sommerssession. Staatsrechnung, Afghaninnen, AHV-Renten, Umweltverantwortung, Eritreer, Bildung, Klimaseniorinnen etc.: National- und Ständerat debattierten über zahlreiche spannende Themen.
Staatsrechnung
Der Nationalrat hat die Staatsrechnung des Bundes für das letzte Jahr genehmigt. Der Bund machte 2023 zum zweiten Mal in Folge ein Defizit: letztes Jahr waren es 1.4 Milliarden Franken. Die Entwicklung im Bundeshaushalt ist alarmierend! Seit 2019 haben die Schulden von 100 auf 142 Milliarden Franken zugenommen. Das bedeutet ein Mehr an Schuldzinsen im Umfang von mehreren hundert Millionen Franken pro Jahr. Wenn das Parlament nicht endlich zur Vernunft kommt und bei den Ausgaben Mass hält, ist der Staat in unerwarteten Krisen nicht mehr handlungsfähig.
Bildung
In den Jahren 2025 bis 2028 sollen allein auf Bundesebene mehr als 29 Milliarden Franken an Steuergeldern für Bildung und Forschung ausgegeben werden. Im Nationalrat scheiterte die SVP am Widerstand der anderen Parteien, die Ausgaben auf dem Stand der Periode 2021 bis 2024 zu plafonieren. Im Gegenteil: Die Ausgaben wurden gar um weitere 152 Millionen Franken erhöht.
Afghaninnen
Im letzten Sommer änderte der Bund die Asylpraxis für afghanische Frauen und Mädchen. Grundsätzlich werden sie alle als Flüchtlinge anerkannt. Im Gegensatz zu vorläufig Aufgenommenen haben sie das Recht, ihre Familie nachzuziehen. Der Nationalrat lehnte eine Motion ab, die den entsprechenden Entscheid rückgängig machen wollte. Der Entscheid fiel knapp mit 92 zu 91 Stimmen bei zehn Enthaltungen. Dieses Resultat verwundert mich nicht, dass hingegen 10 Parlamentarier zu diesem Thema keine eigene Meinung hatten, hingegen schon.
AHV-Renten
Da arbeitet man ein ganzes Leben lang, zieht Kinder gross und nach der Pensionierung reicht das Geld vorne und hinten nicht. Genau deshalb wollte die SVP die Renten der Alters- und Hinterlassenenversicherung von den Kantons- und Gemeindesteuern befreien. Schade: Aber da alle übrigen Parteien das Anliegen nicht unterstützten, müssen sich Rentnerinnen und Rentner auch in Zukunft über eine Steuerrechnung ärgern, weil sie die AHV-Rente auch weiterhin vollumfänglich als Einkommen versteuern müssen.
Umweltverantwortung
Im Nationalrat wurde die Volksinitiative «für eine verantwortungsvolle Wirtschaft innerhalb der planetaren Grenzen» beraten. Sie fordert einen Verfassungsartikel, wonach der Umweltschutz in der Schweiz neu an erster Stelle steht. Die Umweltbelastung der Schweiz soll innerhalb von zehn Jahren derart reduziert werden, dass die Belastbarkeitsgrenzen des Planeten eingehalten werden. Der Bundesrat und eine Mehrheit des Nationalrats lehnen die Initiative ab, da sie gravierende wirtschaftliche und soziale Folgen befürchten; einschliesslich Wohlstandsverlust und staatlicher Umerziehungsmassnahmen für die Bevölkerung.
Eritreer
Rund 300 Eritreer in der Schweiz haben ein abgelehntes Asylgesuch und sollten eigentlich ausreisen. Da Eritrea nur freiwillig Rückkehrende akzeptiert bzw. ein Rückübernahmeabkommen mit Eritrea weltweit nicht abgeschlossen werden konnte, bleiben sie in der Schweiz. Das Parlament fordert nun ein Transitabkommen mit einem Drittstaat, um diese Personen aus der Schweiz auszuweisen. Gleichzeitig haben National- und Ständerat beschlossen, Menschen, die wegen angeblicher Verfolgung im Heimatland geflüchtet sind, aber in der Schweiz dessen Regime gewaltsam unterstützen, härter anzufassen.
Familiennachzug
Der Nationalrat missachtet den klaren Volkswillen vom 9. Februar 2014. Während die Verfassung ausdrücklich vorsieht, die Zuwanderung mittels Höchstzahlen und Kontingenten zu begrenzen, hat die grosse Kammer mit 104 zu 86 Stimmen beschlossen, die Bedingungen für den Familiennachzug weiter zu lockern und auf teilweise pflegebedürftige Angehörige von eingebürgerten Ausländern auszuweiten. Sogar der Bundesrat räumte ein, dass die Auswirkungen der Reform nicht beziffert werden können. Das Geschäft geht nun an den Ständerat.
Klimaseniorinnen
Eine Gruppe älterer Frauen, die sich Klimaseniorinnen nennen, hat das Gefühl, dass die Schweizer Regierung nicht genügend Massnahmen ergreift, um den Klimawandel zu bekämpfen, was ihre Gesundheit und ihr Leben gefährdet. Sie reichten deshalb eine Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ein, nachdem ihre Klagen meines Erachtens zu Recht bei Schweizer Gerichten abgelehnt wurden. Der EGMR hat danach im Sinne der Klimaseniorinnen entschieden. Mit dem Urteil «Klimaseniorinnen gegen die Schweiz» hat sich der EGMR Kompetenzen angemasst, die ihm nicht zustehen. Der Ständerat nahm deshalb eine entsprechende Erklärung mit 31 zu 11 Stimmen bei 2 Enthaltungen und der Nationalrat mit 111 zu 72 Stimmen bei 10 Enthaltungen an. Beide Räte sind sich einig, dass mit dem Urteil die Grenzen der zulässigen Rechtsfortentwicklung überschritten und demokratische Entscheidungsprozesse missachtet wurden. Das Urteil kann durchaus als Beispiel für die oft kontroverse Diskussion über die Rolle und Einfluss «fremder Richter» angesehen werden.
Und zum Schluss
Der Sommer steht vor der Tür und mit ihm eine Zeit voller Sonne, Entspannung und Freude. Ich wünsche Ihnen allen eine wunderbare Sommerzeit, gefüllt mit unvergesslichen Momenten im Kreise Ihrer Familien und Freunde. Geniessen Sie die schönen Tage, tanken Sie neue Energie und bleiben Sie gesund.
David Zuberbühler
Nationalrat AR