Sessionsbericht Winter 2022

National- und Ständerat haben in der Wintersession 2022 – insbesondere aus Sicht der Wirtschaft – mehrere erfreuliche Entscheide gefällt. Die OECD-Mindestbesteuerung wurde so aufgegleist, dass die Standortattraktivität der betroffenen Kantone nicht gefährdet wird. Das Parlament hat ausserdem der Versuchung widerstanden, die Krankenkassenprämien mit weiteren Milliardenbeträgen zu verbilligen und die Folgen der Inflation mit der Giesskanne zu bekämpfen. Durchzogen ist die Bilanz in finanzpolitischer Hinsicht. Der verabschiedete Voranschlag 2023 ist zwar mit der Schuldenbremse konform, aber im Finanzplan für die Jahre darauf klaffen weiterhin grosse Lücken. Verschiedene Projekte, die das Parlament bewilligt hat, ohne die Finanzierung sicherzustellen, könnten mittelfristig zu Fehlbeträgen von bis zu 6 Milliarden Franken jährlich führen. Der Bundesrat mit den frisch gewählten Mitgliedern Albert Rösti, Elisabeth Baume-Schneider und der neuen Finanzministerin Karin Keller-Sutter werden die geplanten Mehrausgaben priorisieren müssen.

OECD-Steuermillionen sollen in der Schweiz bleiben
Mit der OECD-Steuerreform werden grosse, international tätige Unternehmen mit Umsätzen von über 750 Millionen Euro neu zu mindestens 15 Prozent besteuert. 137 Länder haben sich auf diese Mindestbesteuerung geeinigt. Hält sich die Schweiz nicht daran, dürfen andere Länder die fehlende Besteuerung ausschöpfen. Bundesrat und Parlament wollen keine Steuereinnahmen verschenken und die OECD-Mindeststeuer deshalb in der Schweiz umsetzen. Mit der Reform bleiben die Steuereinnahmen hier und die Unternehmen werden im Gegenzug vor Zusatzbesteuerung im Ausland geschützt. Damit kann die Schweiz weiterhin ein attraktiver Standort für international tätige Unternehmen bleiben.

Schuldenbremse steht vor der Zerreissprobe
Das Budget für das Jahr 2023, das der Bundesrat dem Parlament unterbreitet hat, sieht bei ordentlichen Einnahmen von 79,8 Milliarden Franken Ausgaben von 80,5 Milliarden Franken vor. Gegenüber 1990 haben sich die Ausgaben von damals 31,6 Milliarden Franken somit weit mehr als verdoppelt. Die Schuldenbremse wird zwar knapp eingehalten. Im Finanzplan 2024 bis 2026 sind jedoch Milliardenverluste budgetiert, die gemäss Bundesrat
im schlechtesten Fall das Finanzierungsdefizit bis 2026 auf sieben Milliarden Franken ansteigen lassen. Dennoch wurde das Budget 2023 praktisch unverändert resp. mit leichten Ausgabenerhöhungen vom Parlament verabschiedet. Im Rahmen der Budgetdebatte hat die SVP rund 50 Kürzungsanträge mit einem Volumen von über
einer Milliarde Franken zur Bremsung des Ausgabenwachstums eingereicht. Vergeblich: Alle Anträge wurden versenkt. Finanzpolitisch befinden wir uns im freien Fall. Kein Wunder, schliesslich wächst der Staat unaufhörlich und die öffentliche Hand übernimmt immer mehr Ausgaben. Auch in Zukunft möchte ich deshalb dazu beitragen, die Staatsquote zu begrenzen oder noch besser zu senken, damit wir alle weniger Steuern, Abgaben und Gebühren zahlen müssen.

Wölfe
Drei ungeborene Lämmer herausgerissen aus dem Mutterschaf, alle tot, gerissen von einem Wolf. Wölfe spazieren am helllichten Tag durch Dörfer und zeigen gegenüber den Menschen keine Scheu. Fünfzehn Kühe stürzen in den Tod. Sie gerieten in Panik – mitten im Wolfsgebiet. Das sind drei exemplarische Schlagzeilen aus der Presse des letzten Sommers. Solche Ereignisse sind im Berggebiet traurige Realität. Sie machen betroffen und sie machen wütend. Vor allem Menschen, denen Tiere am Herzen liegen. So wie unseren Bauernfamilien, die sich mit Herzblut um ihre Tiere kümmern. Haben Sie gewusst, dass sich die Wölfe in der Schweiz rasant verbreiten? Inzwischen zählt
man über 210 Wölfe in mehr als zwanzig Rudeln. 2021 waren es 30 Prozent weniger. Das Parlament will deshalb, dass die Landwirtschaft besser vor Wölfen geschützt werden. Wölfe sollen zukünftig nicht nur geschossen werden dürfen, wenn sie Schäden angerichtet haben, sondern auch, um künftige Schäden zu verhüten. Nach dem
Ständerat hat auch der Nationalrat mit 106 zu 74 Stimmen bei 12 Enthaltungen eine jährliche «Regulierungssaison» für Wölfe ins Jagdgesetz aufgenommen, die jeweils vom 1. September bis 31. Januar des darauffolgenden Jahres dauert. Weil der Nationalrat die Vorlage in mehreren Punkten ergänzt hat, geht sie zurück an den Ständerat.

Bundesratswahlen
Es wurde natürlich auch im Appenzellerland registriert: die beiden neuen Mitglieder des Bundesrats stehen fest. Im Rennen um die Nachfolge Ueli Maurer, der in seiner Abschiedsrede an die Vereinigte Bundesversammlung appellierte, der Freiheit doch auch in Zukunft Sorge zu tragen, setzte sich mit Nationalrat Albert Rösti der Favorit bereits im ersten Wahlgang rasch durch. Dagegen entwickelte sich die Ausmarchung um den freien SP-Sitz zum Krimi: Mit Elisabeth Baume-Schneider gab es eine Überraschungssiegerin, die gleich bei ihrem ersten Medienauftritt mit einem Seitenhieb gegen uns Appenzellerinnen und Appenzeller irritierte. Auf die Frage: «Was antworten Sie einem Appenzeller, der sagt, er fühle sich nicht mehr vertreten im Bundesrat?», antwortete Baume-Schneider: «Also ich glaube, es ist eine politische Sache. Die Appenzeller wissen vielleicht nicht einmal, dass es eine Bundesratswahl gibt.» Diese Aussage war natürlich alles andere als geschickt und sorgte bei einigen für rote Köpfe. In einem gemeinsam unterzeichneten Brief laden Ständerat Andrea Caroni und ich die neue Justizministerin ins Appenzellerland ein. Zugesagt hat sie, und ich bin überzeugt, dass Frau Baume-Schneider mittels Navigationssystem den Weg zu uns ganz bestimmt finden wird.

So viel verdient ein Bundesrat
Die Bundesrätinnen und Bundesräte verdienen derzeit rund 456’000 Franken brutto. Hinzu kommen eine Spesenpauschale von 30’000 Franken und zusätzliche 12’000 Franken für den Bundespräsidenten oder die Bundespräsidentin. Weiter hat jede Bundesrätin und jeder Bundesrat Anrecht auf ein Repräsentationsfahrzeug mit Fahrerin respektive Fahrer. Zudem steht den Regierungsmitgliedern je ein Dienstfahrzeug für den persönlichen
Gebrauch zur Verfügung. Weiter erhalten die Regierungsmitglieder ein Erstklass-GA und ein Abonnement der Seilbahnen Schweiz. Zu Dienstzwecken können die Regierungsmitglieder Flugzeuge und Helikopter des Bundes benutzen. Eine Dienstwohnung wird den Regierungsmitgliedern hingegen nicht bezahlt. Sie bezahlen Miete und Steuern wie alle in der Schweiz. Hingegen übernimmt der Bund die Kosten für Festnetztelefon, Handy und Computer. Die Empfangsgebühr für Radio und TV bezahlen die Regierungsmitglieder hingegen selbst.

13. AHV
Es war einer der letzten «grossen Brocken» der Wintersession. Der Nationalrat begann und beendete in der dritten Sessionswoche seine Beratungen über die Volksinitiative «Für ein besseres Leben im Alter». Diese fordert für AHV-Rentnerinnen und -Rentner einen Zuschlag im Umfang einer 13. Monatsrente. Hinter dem Begehren steht der
Schweizerische Gewerkschaftsbund. Die Initianten argumentieren damit, dass durch die steigenden Lebenskosten in der Schweiz eine 13. Rente für die meisten Rentner notwendig werde. Die bürgerliche Mehrheit argumentierte dagegen und fragte, wie diese Mehrausgaben in Milliardenhöhe finanziert werden sollten, worauf die Initiative keine Antwort gibt. Eine 13. Altersrente würde die finanzielle Lage der AHV wesentlich verschlechtern. Im Jahr 2032 hätte eine Annahme nach Angaben des Bundesrats Mehrausgaben von rund fünf Milliarden Franken zur Folge – zusätzlich zum bis dahin schon prognostizierten Umlagedefizit von 4,7 Milliarden Franken. Dementsprechend lehnte eine bürgerliche Mehrheit des Nationalrates die Initiative mit 123 zu 68 Stimmen klar ab und verzichtete auf die Formulierung eines Gegenvorschlags. Das Geschäft geht nun in den Ständerat.

Bekanntschaft im Zug
In der zweiten Sessionswoche war ich überrascht, was für Persönlichkeiten man so alles im Zug antrifft. Dr. Gregor Gysi – deutscher Bundespolitiker, Rechtsanwalt und Autor zahlreicher Bücher – nahm sich spontan Zeit für ein Selfie. Gysi politisiert zwar alles andere als bürgerlich, ist dafür einer der wortgewandtesten, diskussionsfreudigsten und zugleich humorvollsten Politiker unserer Zeit. Nur wenigen gelingt es, sich eine vergleichbare Achtung über die politischen Lager hinweg zu erarbeiten.

Glückwünsche
Ihnen allen danke ich zum Jahresende von ganzem Herzen, dass ich Appenzell Ausserrhoden seit 2015 im Nationalrat vertreten darf. Es ist mir eine grosse Ehre. Ich mache das mit voller Leidenschaft, auch wenn mir natürlich bewusst ist, dass ich niemals das ganze Meinungsspektrum vertreten kann. Trotzdem gebe ich stets mein Bestes, bleibe dabei bescheiden, unaufgeregt und ausgeglichen. Und bei meinen Entscheiden habe ich stets Gott vor Augen. Ich danke Ihnen, dass Sie mich unterstützen und wünsche Ihnen und Ihren Liebsten eine frohe und besinnliche Weihnachtszeit. Ich freue mich auf zahlreiche Begegnungen im nächsten Jahr. En guete Rutsch und alles Gute!

David Zuberbühler
Nationalrat AR